Kontemplation

Maria von Bethanien (links) und ihre Schwester Martha (Mitte), traditionelle Sinnbilder der Kontemplation (Maria) und der Aktion (Martha), auf dem Gemälde Christus bei Maria und Martha von Jan Vermeer, um 1654/1655. Scottish National Gallery, Edinburgh

Kontemplation (von lateinisch contemplatio „Richten des Blickes nach etwas“, „Anschauung“, „[geistige] Betrachtung“[1]) ist in philosophischen und religiösen Texten die Bezeichnung für ein konzentriertes Betrachten. Dies entspricht ungefähr dem Begriff ϑεωρία (theōría) in der griechischen Philosophie. In erster Linie geht es dabei um Betrachtung eines geistigen, ungegenständlichen Objekts, in das man sich vertieft, um darüber Erkenntnis zu gewinnen. Im religiösen Kontext ist das Objekt oft eine Gottheit oder deren Wirken. Kontemplation präsentiert sich als intuitive Alternative oder weiterführende Ergänzung zum diskursiven Bemühen um Erkenntnis.

Wenn im menschlichen Leben die Betrachtung eine dominierende Rolle spielt, spricht man von einer theoretischen oder kontemplativen Lebensform oder -phase (lateinisch vita contemplativa) im Gegensatz zur „praktischen“ Lebensweise, dem auf äußere Aktivität ausgerichteten „tätigen“ Leben (vita activa). Das Spannungsverhältnis und die Rangordnung zwischen Betrachtung und Aktivität zählt seit der Antike zu den am intensivsten diskutierten Themen der philosophischen und religiösen Ethik. In der Antike und im Mittelalter herrschte in tonangebenden intellektuellen Kreisen die Auffassung vor, dass die Beschaulichkeit die beste Daseinsform sei, da sie die wertvollsten Früchte erbringe. Dies änderte sich jedoch in der Neuzeit, vor allem in der Moderne; die herkömmliche Überzeugung, dass kontemplative Reflexion einen privilegierten Zugang zu besonders wichtigen Einsichten biete, stieß auf zunehmende Skepsis.

Kontemplationskonzepte wurden zuerst in antiken Philosophenschulen ausgearbeitet. Im Christentum wird die Kontemplation seit der Zeit der Kirchenväter als Ausrichtung auf Gott geschätzt, gepflegt und in spiritueller Literatur eingehend erörtert. Für große Teile der christlichen Welt bildet die kontemplative Betrachtung der Werke Gottes und eine auf Gott selbst gerichtete Kontemplation traditionell einen Kernbestandteil des religiösen Lebens der Frommen. Dies gilt vor allem für das katholische und das orthodoxe Eremiten- und Mönchtum, aber auch für eine weit verbreitete Laienfrömmigkeit. Oft wird von der Kontemplation eine Erfahrung von Gottes Gegenwart oder sogar eine Gottesschau erhofft. Die geistlichen Autoren pflegen aber seit jeher zu betonen, dass solche Schau ein göttlicher Gnadenakt sei und vom Menschen nicht aus eigener Kraft herbeigeführt werden könne.

Auch im Islam, Hinduismus und Buddhismus sind kontemplative Praktiken verbreitet.

  1. Zu den antiken Bedeutungen siehe Thomas Baier (Hrsg.): Der neue Georges. Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Band 1, Darmstadt 2013, Sp. 1231.

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