Rasso

Titelillustration des Buchs Die Legend St. Graffrat, München um 1535
Rasso-Skulptur an der Apsis der St.-Rasso-Kirche, Grafrath.
Altarbild von Johann Andreas Wolff am Rassoaltar in der Wallfahrtskirche Andechs
St. Rasso, Andachtsbild um 1860

Rasso (auch Ratho, Ratt, Rath oder Gráfrath) war im frühen Mittelalter ein vom Frankenkönig in Bayern eingesetzter Graf, zuständig für das Gebiet zwischen Amper, Ammersee und Starnberger See. Etwa fünf Kilometer nördlich des Ammersees stiftete er auf der Amperinsel Wörth ein Benediktinerkloster, erbaute dazu eine Kirche, sammelte für die Kirche im Heiligen Land und in Rom wertvolle Reliquien, ließ sich in der Kirche ein Grab anlegen und wurde nach seinem Tod in diesem Grab bestattet. Das Kloster wurde später nach Dießen verlegt, die Reliquien nach Andechs gebracht, das Grab in Wörth jedoch blieb an Ort und Stelle erhalten und wurde bald das Ziel vieler Pilger, so dass der Ort schon im Mittelalter nach dem dort begrabenen und vom Volk als heilig verehrten Grafen St. Grafrath genannt wurde.

Als Todes- und damit Gedächtnistag ist im ältesten Dießener Nekrologium der 19. Juni angegeben. Ein Todesjahr ist dort nicht genannt. Erst Jahrhunderte später in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gibt der Chronist Albert von Dießen[1] auch eine Jahreszahl an, und zwar 954 als Jahr der Klostergründung. Diese urkundlich nicht belegbare Datierung wird heute allgemein als nicht haltbar zurückgewiesen ebenso wie die ebenfalls nicht belegbare Weihe der Kirche durch Bischof Ulrich von Augsburg. Da Albert einen Grafen Razzo als Klostergründer von Wörth nennt, nehmen neuere Historiker an, dass er damit den Grafen Razo von Dießen meint, der in einer Freisinger Traditionsurkunde etwa hundert Jahre später bezeugt ist. Allerdings lässt sich bei diesem Razo comes de Diezen kein Zusammenhang mit einer Klostergründung in Wörth herstellen.

Deshalb wird in jüngster Zeit die Ansicht vertreten, dass man besser der frühen Andechser Überlieferung folgen sollte, nach der Graf Rasso/Rath kein Graf von Dießen des 10. oder 11. Jahrhunderts war, sondern bereits in der Karolingerzeit lebte und als Graf wirkte, und seine Klostergründung bzw. sein Tod hundert Jahre früher, also 854, anzusetzen sind. Dies lässt sich aus Alberts Datierung selber als wahrscheinlich erweisen. Er nennt nämlich als Bruder Rassos den Grafen Friedrich und berichtet, dessen Gattin Kunissa habe 1020 die Kirche St. Stephan in Dießen erbaut. Wenn dies 1020 geschah (was durch eine in ihrem Grab aufgefundenen Inschrifttafel bezeugt ist), kann Rasso unmöglich 954 sein Kloster gegründet haben oder gestorben sein, da zu dieser Zeit der historisch bezeugte Graf Friedrich und dessen Gattin kaum geboren waren. Wegen dieser offensichtlichen Unstimmigkeit kann man annehmen, dass Albert das Jahr 954 nicht erfunden hat, sondern sich einer Quelle verpflichtet fühlte. Wir wissen aus Alberts Schrift Epitaphium praelatorum in Dyezzen, dass für ihn Grabinschriften als Quelle eine besondere Rolle spielten. Von einer Grabinschrift ging er auch bei Kunissa aus. Auf der erwähnten Tontafel ist als Todesjahr M°XX eingraviert. Albert gibt es demnach in seiner Handschrift mit M°xx wieder (clm 14594, f. 26v). In der gleichen Handschrift (f. 28v) gibt er bei der Rassogründung als Jahr dcccc° Liiij an. Klar ist, dass hier seine Quelle nicht wie bei Kunissa das unverwechselbare Zeichen M für 1000 enthalten haben kann, wohl aber das eindeutige Zeichen L für ein Fünfzigerjahr, weshalb es Albert nicht ändern wollte. So bleibt nur die Möglichkeit, dass er auf seiner Vorlage, eventuell der alten Grabplatte, ein C zu viel las, also DCCCCLIV (954) statt DCCCLIV (854). Die Annahme einer ersten Klostergründung in Wörth 854 löst die Widersprüche und passt zur Andechser Überlieferung.[2]

In Erinnerung blieb Graf Rath/Rasso beim Volk in seiner Funktion als Graf im Kernland der späteren Grafschaft von Andechs, weshalb er in den mittelalterlichen Quellen auch als Graf von Andechs bezeichnet wird, vor allem aber durch seine besonderen Lebensleistungen als Kirchenstifter und Klostergründer, als Pilger und Reliquiensammler, und als einer, der zuletzt als Laienbruder in das von ihm gegründete Kloster eintrat und dort eines heiligmäßigen Todes starb. So sind seine Insignien auf bildlichen Darstellungen einerseits Rüstung, Fürstenhut, Fürstenmantel, Kommandostab und bayerische Fahne, andererseits Kirchenmodell bzw. Kirchenplan, Pilgerkleid, Skapulier, Benediktusregel und Ordensgewand.

  1. Friedrich Wilhelm Bautz: Albert von Diessen. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 81–82.
  2. Meßmer: Grafrath und die Anfänge, S. 196–200 und 215 f.

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