Historischer Materialismus

Unter dem Begriff Historischer Materialismus werden Theorien zur Erklärung von Gesellschaft und ihrer Geschichte zusammengefasst, die gemäß der „materialistischen Geschichtsauffassung“ von Karl Marx und Friedrich Engels entwickelt wurden:

„Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird. Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche.“

Friedrich Engels[1]

Der Historische Materialismus[2] sieht den Ablauf der Geschichte als eine durch ökonomische Prozesse gesetzmäßig bestimmte Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Als materielle Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung werden die sozio-ökonomischen Widersprüche aufgefasst, die die Gesellschaftsformationen auf unterscheidbaren Entwicklungsstufen und den „Kampf und die Einheit der Gegensätze“ kennzeichnen (Dialektik bei Marx und Engels).[3] Die Lösung der dem jeweiligen Gesellschaftssystem innewohnenden, antagonistischen Widersprüche führt gesetzmäßig zu gesellschaftlichen Veränderungen und zur Herausbildung einer neuen Gesellschaftsformation. Die materialistische Geschichtsauffassung versteht sich als eine dialektische Überwindung des Idealismus Hegels, für den noch der Geist bzw. die Idee(n) und ihr Denken die Geschichte bewirkte bzw. diese überhaupt ausmachte.

Indem der Mensch seine Umwelt durch seine Arbeit verändert, produziert er sich selbst als gegenständliches und gesellschaftliches Wesen. Zur Reproduktion seines Lebens geht er mit anderen Menschen historisch bestimmte Beziehungen ein; diese gesellschaftlichen Verhältnisse wirken auf ihn zurück, machen letztlich sein geschichtliches Wesen oder seine besondere Natur aus.

Der Historische Materialismus versuchte nicht nur den vergangenen geschichtlichen Prozess zu erklären, sondern entwickelte auch Grundrisse für ein humanistisch geprägtes Gesellschaftssystem, welches aus den antagonistischen Widersprüchen einer Klassengesellschaft resultieren könnte.

  1. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 487. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8118 (vgl. MEW Bd. 20, S. 248–249)
  2. Zum Begriff vgl. Engels: Über historischen Materialismus. S. 19. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8934 (vgl. MEW Bd. 22, S. 298)
  3. Gerhard Hauck: Von der klassenlosen zur Klassen-Gesellschaft. Pahl-Rugenstein-Verlag Köln 1979, ISBN 3-7609-5009-4. Habilitationsschrift Universität Heidelberg. S. 13

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