Kowalewskaja-Kreisel

Der Kowalewskaja-Kreisel ist in der Kreiseltheorie einer der drei Kreiseltypen, deren Bewegungsgleichungen bei beliebigen Anfangsbedingungen analytisch gelöst werden können. Er ist ein schwerer symmetrischer Kreisel, dessen drei Hauptträgheitsmomente A, B und C die Bedingung A = B = 2C erfüllen, und dessen Massenmittelpunkt in der Ebene liegt, die von den zu A und B gehörenden Hauptachsen aufgespannt wird.

Sofja Wassiljewna Kowalewskaja gab die Entdeckung des Kreisels 1888 in einer preisgekrönten Arbeit über die Rotation eines Starrkörpers um einen Fixpunkt[1] und gleich auch die Lösung der Euler-Poisson-Gleichungen bekannt. Für die Darstellung der Lösungsfunktionen benötigte Kowalewskaja etwa 50 Seiten, was die Komplexität der Bewegungsmöglichkeiten des Kreisels unterstreicht. Die Vereinfachung der Lösung und die Klassifizierung der Bewegungsmodi ist so aufwändig, dass sie die Wissenschaft noch bis ins 21. Jahrhundert beschäftigten[2].

Die Kowalewskaja-Konstante K = k² verschwindet für Staude-Drehungen, siehe die Animationen in Abb. 3 und 4. Das Bifurkationsdiagramm des Kowalewskaja-Kreisels ist durchsetzt mit Separatrizen, die Phasen, wo gleichartige, topologisch verwandte Bewegungstypen auftreten, voneinander trennen, siehe Abb. 5. Eine typische Bewegung des Kowalewskaja-Kreisels weist im körperfesten Raum der Drehimpulse Trajektorien auf, die einen ringförmigen Schlauch umlaufen und ihn dabei dicht ausfüllen, siehe Abb. 6a-d. Die Separatrizen sind die Phasengrenzen, in deren Zentren eine instabile periodische Bahn liegt. In fast allen Phasen durchläuft der Kreisel Gebiete stabilen und instabilen Verhaltens. Diese Tatsache kann mit Fomenko-Graphen skizziert werden, siehe Abb. 7. Poincaré-Schnitte sind eine weitere Möglichkeit das Verhalten zu veranschaulichen, indem wie in einer Landkarte die stabilen Bereiche eingefärbt werden, an deren Grenzen die Separatrizen liegen, siehe Abb. 8.

Der Kowalewskaja-Kreisel ist von kreiseltheoretischer Bedeutung und kann zur Modellierung gewisser Phänomene in stationären Strömungen inkompressibler Flüssigkeiten verwendet werden; eine technische Anwendung gibt es jedoch Anfang des 21. Jahrhunderts noch nicht.[3]

  1. Die Artikel
    Sophie Kowalevski: Sur le probleme de la rotation d’un corps solide autour d’un point fixe. In: Acta Mathematica. Volume 12, 1889, S. 177–232. (projecteuclid.org [abgerufen am 21. März 2018]).
    und
    Sophie Kowalevski: Sur une propriété du système d’équations différentielles qui définit la rotation d’un corps solide autour d’un point fixe. In: Acta Mathematica. Volume 14, 1890, S. 81–93 (projecteuclid.org [abgerufen am 21. März 2018]).
    enthalten die Ausarbeitungen, die am 25. Dezember 1888 mit dem Bordin-Preis ausgezeichnet wurden.
  2. siehe A. M. Permelov: Kovalevskaya Top: An Elementary Approach. In: Journal of Applied Mathematics and Physics. Vol. 131, Issue 2, 2002, S. 612–620, arxiv:math-ph/0111025v1 (Permelov vereinfacht die Bewegungsfunktionen soweit, dass sie nur wenige Seiten beanspruchen.).
    und
    Fawzy Mohamed Fahmy El-Sabaa, Alshimaa Abdelbasit Mohamed, Salma Khalel Zakria: The Qualitative and Quantitative Methods of Kovalevskys Case. In: Journal of Applied Mathematics and Physics. Vol. 5, Issue 9, September 2017, ISSN 2327-4379, doi:10.4236/jamp.2017.59155 (scirp.org [abgerufen am 23. März 2018] Studium des Phasen-Portraits, der singulären Punkte und des Bifurkationsdiagramms.).
  3. Tuschmann und Hawig (1993), S. 124.

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