Realismus (Philosophie)

Der Begriff Realismus umfasst eine Vielzahl philosophischer Positionen, nach denen vom menschlichen Bewusstsein unabhängige Phänomene existieren, die auf uns einwirken und die wir sprachlich bezeichnen können. Realistische Thesen werden in verschiedenen Problembereichen und bezüglich verschiedener Thesen diskutiert, sodass jeweils von einem bestimmten Realismus gesprochen wird. Als metaphysischer oder ontologischer Realismus wird die Annahme einer denkunabhängigen Existenz einer Realität bezeichnet, wie z. B. ein Universalienrealismus oder ein Realismus bezüglich natürlicher Arten, oder anderer ontologischer Untersuchungsgegenstände. Erkenntnistheoretischer Realismus behauptet, dass die Welt „wirklich erkennbar“ ist, d. h. dass unsere Meinungen und Überzeugungen es prinzipiell mit beobachtungsunabhängig existierenden Objekten zu tun haben können, in einer in den dafür relevanten Hinsichten für Beobachter identisch gegebenen Welt – und dass dies im Falle von Wissen auch wirklich so ist.

In der Sprachphilosophie spricht man von einem semantischen Realismus, wenn die Beschreibung der Außenwelt mit Sätzen (Aussagen, Gedanken) erfolgt, die eine eindeutige Interpretation sind, also mit wahr oder falsch beurteilt werden können.[1] Soweit in der Erkenntnistheorie angenommen wird, dass Erkenntnisse nur sprachlich zu fassen sind, fallen erkenntnistheoretischer und semantischer Realismus zusammen.

Von einem wissenschaftlichen Realismus spricht man bezüglich der These, dass die Einzelwissenschaften letztlich zu Wissen von Gegenständen führen, die unabhängig von bestimmten Theorien oder Konventionen existieren und so strukturiert sind, wie wir dies wissen können. Dies setzt im weitesten Sinne eine „beobachtungsunabhängige Außenwelt“ voraus.

Als moralischen Realismus bezeichnet man eine Grundposition der Metaethik, nach der es prinzipiell objektive Tatsachen bezüglich moralischer Fragen gibt. Analog dazu und zu Positionen des wissenschaftlichen Realismus spricht man beispielsweise auch von theologischem Realismus bezüglich religiöser Wahrheiten.[2]

Historisch gibt es vielfältige Formen des Realismus. In unterschiedlichen historischen Epochen stellten sich philosophische Fragen, auf die die verschiedenen Formen des Realismus eine Antwort darstellten. Im Mittelalter und in der Antike stand dabei die Frage im Zentrum, inwiefern allgemeine Begriffe „real“ sind (Universalienproblem).[3] In der Neuzeit rückten dann Fragen bzgl. der Realität der der Wahrnehmung und Außenwelt ins Zentrum[4] und in der zeitgenössischen Epoche werden vor allem Fragen hinsichtlich der Realität wissenschaftlicher Entitäten diskutiert.[5]

Der Realismus steht im Gegensatz zu bestimmten Formen des (subjektiven) Idealismus, Instrumentalismus und Nominalismus.

  1. siehe Holger Lyre: Epistemischer versus semantischer Realismus, in: Christoph Halbig, Christian Suhm (Hrsg.): Was ist wirklich. Neuere Beiträge zu Realismusdebatten in der Philosophie, ontos, Frankfurt 2004, 183 - 200, hier 184
  2. An den jüngeren Debatten zum Thema sind u. a. beteiligt Michael Scott, Andrew Moore, Jerome Gellman, Alexander Bird, John B. Cobb, Michael Rea, Christopher Knight, Alister McGrath, Hans-Peter Großhans.
  3. Alessandro Conti: Realism. In: The Cambridge History of Medieval Philosophy. Band 2. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-1-139-09544-0, S. 647–660, doi:10.1017/chol9780521762182.010 (cambridge.org [abgerufen am 11. November 2023]).
  4. Expériences, théories et méthodes (= Philosophie des sciences). Vrin, Paris 2004, ISBN 2-7116-1625-8.
  5. Timothy D. Lyons, Peter Vickers: History and the Contemporary Scientific Realism Debate. In: Contemporary Scientific Realism. Oxford University Press, 10. Juni 2021, S. 1–8, doi:10.1093/oso/9780190946814.003.0001.

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