Sprechwissenschaft

Die Sprechwissenschaft ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich im Rahmen des Themenfeldes mündliche Kommunikation – als Schwesterdisziplin der Sprachwissenschaft – mit der Erforschung und der Lehre des gesprochenen Wortes und der Sprechkommunikation befasst.

Mithilfe eines Verständnisses der Sprechsituation, welches die Kommunikatoren, den Gegenstand, den Inhalt und die Modalitäten des Gesprächs einschließt, werden innerhalb sprechwissenschaftlicher Untersuchungen ausgewählte Bereiche der Sprechkommunikation analysiert und didaktisiert. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Analyse des Sprechens und Hörens in Kommunikationsvorgängen zwischen mündlich agierenden Individuen. Diese beiden Komplexphänomene, die als grundlegend für die Verständigung gelten, werden aus einer physischen, physiologischen, physikalischen, linguistischen, sozialen und psychosozialen Perspektive beobachtet, beschrieben und bewertet. Auch die Entstehung und Entwicklung kultur- und gesellschaftshistorisch bedingter Sprach- und Sprechprozesse tritt in den Fokus der Analyse. Zumeist liegt der Auswertung sprechwissenschaftlicher Prozesse und Datensätze eine empirisch-theoretische Basis zugrunde, jedoch ist die Begriffsbestimmung auch auf induktivem und deduktivem Weg möglich. Neben der Erstellung von Modellen der situativen Darstellung von auf Kompetenz oder Performanz gerichteten Kommunikationsvorgängen, dient die Lehre der Sprechwissenschaft auch der Entwicklung von Methoden und Fähigkeiten zu einer optimierten Gesprächsführung sowie effektiven sprecherischen Verständigung.[1]

Die Sprechwissenschaft lässt sich als theoriebildende Disziplin neben der didaktisch und methodologisch orientierten Sprecherziehung einordnen. Historisch betrachtet hat sich aus der gelebten Lehrpraxis der Sprecherziehung die Systematisierung der Erkenntnisse und Erfahrungen der Sprechkunde entwickelt, und diese führte wiederum zur empirisch reflektierten Theorieaufstellung der Sprechwissenschaft. Sprecherziehung und Sprechwissenschaft werden heutzutage meist als Doppeldisziplinen oder zusammengehörende Wissenschaften angesehen. Hierbei stehen Theorie und Didaktik in einer engen traditionellen Verbundenheit und können daher nicht eindeutig voneinander getrennt werden.[2]

Die sprechwissenschaftliche Lehre wird thematisch in die Unterbereiche Sprechbildung, Phonetik und Phonologie, Rhetorische Kommunikation, Sprechkunst (Ästhetische Kommunikation) sowie Klinische Sprechwissenschaft (Therapeutische Kommunikation) eingeteilt. Das thematische Feld der Medienrhetorik, das als Unterkategorie der Rhetorischen Kommunikation angesehen werden kann, ist zudem als alleinstehender Bereich definierbar.[3]

Es besteht ein Bezug zu benachbarten Teildisziplinen im geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen Bereich. So können in den angrenzenden Wissenschaftsgebieten der Germanistik, Linguistik, Kommunikationswissenschaft, Physik, Medizin, aber auch Soziologie und Verhaltenswissenschaft interdisziplinäre Forschungs- und Anwendungsbereiche der Sprechwissenschaft wiedergefunden werden.[4]

  1. Christa M. Heilmann: Kompakt-Lexikon Sprechwissenschaft. Verlag J.B. Metzler, Heidelberg / Berlin 2022, ISBN 978-3-662-64733-2, S. 154.
  2. Marita Pabst-Weinschenk (Hrsg.): Grundlagen der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. 2., überarbeitete Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München / Basel 2011, ISBN 978-3-8252-8294-3, S. 252.
  3. Ines Bose, Ursula Hirschfeld, Baldur Neuber, Eberhard Stock: Einführung in die Sprechwissenschaft. Phonetik, Rhetorik, Sprechkunst. 2. Auflage. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2016, ISBN 978-3-8233-6992-9, S. 1.
  4. Siegrun Lemke: Sprechwissenschaft/Sprecherziehung. Ein Lehr- und Übungsbuch. In: Irmhild Barz, Ulla Fix, Marianne Schröder (Hrsg.): Leipziger Skripten. Einführungs- und Übungsbücher. 2. Auflage. Band 4. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-631-53009-9, S. 20 f.

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