Ethnozentrismus

Ethnozentrismus ist ein primär psychologischer, aber auch in unterschiedlichsten sozialwissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Untersuchungen gebrauchter Begriff, der die Voreingenommenheit eines Individuums gegenüber ihm fremden Gruppen bezeichnet.[1] Das Phänomen basiert auf der Überzeugung, dass die eigenen Verhaltensmuster und die der ethnischen Gruppe, der man angehört, immer normal, natürlich, gut, schön oder wichtig sind. Vor diesem normativen Maßstab können Fremde – deren Kultur sich deutlich unterscheidet – als wild, unmenschlich, ekelhaft oder irrational bewertet werden.[2] Man spricht daher auch von der „Selbstbezogenheit einer Gruppe“;[3] die Merkmale der Eigengruppe werden dabei als Bewertungsgrundlage vorausgesetzt[4] und gegenüber denen von Fremdgruppen für überlegen gehalten.[5] Dies kann sich u. a. beziehen auf Kultur, Lebensweise, Lebensstil, Weltanschauung, Religion.[6] Der Begriff „Ethnozentrismus“ bezieht sich zwar zunächst nicht etwa auf eine Nation oder Rasse im Sinne der obsoleten Rassentheorie, sondern das Verhältnis des Individuums zu seiner ethnischen Gruppe; Ethnozentrismus kann aber die Grundlage für ein Verhalten bilden, welches Nationalismus oder Rassismus zugrunde liegt.[7]

Studien etwa in der Soziologie, Psychologie, Sozialpsychologie, Ethnologie[8] oder Anthropologie, aber auch der Kulturgeschichte, z. B. auch bezüglich der Mythologie, analysieren, inwiefern Personen derartige Kategorien und Wertungen bilden und verwenden. In diesem Zusammenhang stehen auch vielfältige Untersuchungen der kulturvergleichenden Sozialforschung.

  1. Vgl. etwa James G. Kellas: The Politics of Nationalism and Ethnicity. 2. Auflage. MacMillan, London 1998, S. 6 (einsehbar bei Google Books): „Ethnocentrism is basically a psychological term, although it is also used generally in the study of society and politics … It is essentially concerned with an individual’s psychological biases towards his/her ethnic group, and against other ethnic groups.“
  2. Marvin Harris: Kulturanthropologie – Ein Lehrbuch. Aus dem Amerikanischen von Sylvia M. Schomburg-Scherff. Campus, Frankfurt am Main/New York 1989, ISBN 3-593-33976-5, S. 22.
  3. Ulrich Schneckener: Ethnozentrismus. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik. Band 7 (Politische Begriffe). C.H. Beck, München 1992 ff, 156: „Fachterminus, der die Selbstbezogenheit einer Gruppe bezeichnet, insbesondere in ethnischer, religiöser und kultureller Hinsicht.“ James G. Kellas: The Politics of Nationalism and Ethnicity. 2. Auflage. MacMillan, London 1998, S. 6: "Favourable attitudes are held about the 'ingroup' … and unfavourable ones about the 'outgroup'".
  4. Vgl. z. B. Ethnozentrismus. In: Klaus Schubert, Martina Klein: Das Politiklexikon. 4. Auflage. Dietz, Bonn 2006. „eine politische Einstellung, die die Werte (z. B. Religion) und die Besonderheiten (z. B. Hautfarbe) der eigenen Volksgruppe (Ethnie) über die anderer Völker stellt bzw. zur Bewertungsgrundlage nimmt.“
  5. Vgl. zum Letzteren z. B. Ulrich Schneckener: Ethnozentrismus. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik. Band 7 (Politische Begriffe). C.H. Beck, München 1992 ff., S. 156: „Die bevorzugte Eigenwahrnehmung wird als konstitutiv für Gruppenbildungsprozesse angesehen, i. d. R. werden dabei die Merkmale und Fähigkeiten der Eigengruppe als »wertvoller« bewertet als die von Fremdgruppen“.
  6. Vgl. z. B. David Theo Goldberg: Ethnocentrism, in: Maryanne Cline Horowitz (Hrsg.): New Dictionary of the History of Ideas, Thomson Gale, New York u. a. 2005, Band 2, S. 722–725, hier 722: „the disposition to read the rest of the world, those of different cultural traditions, from inside the conceptual scheme of one’s own ethnocultural group. The ethnocentric attitude assumes that one’s own ethnic Weltanschauung (worldview) is the only one from which other customs, practices, and habits can be understood and judged.“ Vgl. auch den Artikel Ethnozentrismus. In: Wolfgang J. Koschnik: Standardwörterbuch für die Sozialwissenschaften. Band 2 / Teil 1 A–L. KG Saur, München/London/New York/Paris 1992, ISBN 3-598-10527-4, S. 279.
  7. Vgl. etwa James G. Kellas: The Politics of Nationalism and Ethnicity. 2. Auflage. MacMillan, London 1998, S. 6: “Ethnocentrism … can be related to 'nationalism' and racism', but its focus is strictly on the individual’s relationship with an ethnic group rather than with a ‘nation’ or a ‘race’. Ethnocentrism gives a general and perhaps even universal basis for a type of behaviour which also underlies nationalism and racism.”
  8. Vgl. z. B. W. Rudolph: Ethnozentrismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 812: „Der E. ist in der Folgezeit explizit und implizit in den verschiedensten theoretischen Zusammenhängen von Soziologie, Psychologie (besonders Sozialpsychologie) und Ethnologie diskutiert worden“ mit Verweis auf D. T. Campbell, R. L. Levine: Propositions about Ethnocentrism from social science theories, Chicago 1965.

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