Beta Israel

Die Beta Israel (Betä Ǝsraᵓel, Ge‘ez ቤተ እስራኤል, hebräisch בֵּיתֶא יִשְׂרָאֵל, „Haus Israel“ im Sinne von „Familie Israel“)[1] oder Falascha (Fälaša, fȧ-lä'shȧz[2] Ge‘ez ፈላሻ, anderer Plural Falaschen, Singular Falasche,[3] amharisch „Heimatlose, Außenseiter“, „Landlose“, „Exilierte“, pejorativ konnotiert) sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, deren Mitglieder ursprünglich in Äthiopien beheimatet waren. Von ihrem Siedlungsgebiet um den Tanasee und nördlich von diesem emigrierten die meisten Mitglieder der als Juden anerkannten Gruppe ab Ende der 1970er Jahre nach Israel.[4] Dort bezeichnen und sehen sich ihre Angehörigen heute meist schlicht als Äthiopier oder als äthiopische Juden (Ge‘ez የኢትዮጵያ ይሁዲ, hebräisch יְהוּדֵי אֶתְיוֹפְּיָה).[5] Ihre ursprüngliche Religion galt und gilt trotz zahlreicher Sonderlichkeiten auch vielfach heute noch als äthiopischer Zweig der jüdischen Religion.[6]

Ende 2021 waren 164.400 Personen in Israel äthiopisch-jüdischer Abstammung, von denen wiederum 90.600 in Äthiopien geboren worden waren. Das heißt, dass weniger als 2 Prozent der Bevölkerung Israels äthiopischer Abstammung waren.[7] Über ihren Ursprung ist viel debattiert worden. Obwohl die Gruppierung erst ab dem 14. Jhd. in Äthiopien historisch greifbar ist, wurde teilweise ein weitaus höheres Alter angenommen. Ihre eigene Überlieferung kennt mehrere Erklärungen für ihre Anwesenheit in Äthiopien, etwa eine Abkunft vom Stamm Dan, oder der Gefolgschaft des Königssohnes Menelik, Nachkomme von Salomon und der Königin von Saba, welcher bei seiner Rückreise aus Äthiopien die Bundeslade aus dem Jerusalemer Tempel geraubt und nach Äthiopien verbracht hätte. Am wahrscheinlichsten gilt heute, dass es sich bei ihnen um eine autochthone Gruppierung handelt.[8] Klar ist, dass sie jahrhundertelang im Norden Äthiopiens (Gondar, Tigray) lebten, wo sie eigene unabhängige Staaten bildeten, die im 17. Jahrhundert allesamt von den Kaiserlichen zerstört wurden. Die Falaschen wurden daraufhin zu einer marginalisierten und diskriminierten Minderheit, meist ohne das Recht auf Landbesitz.

Seit ihren ersten beständigen Kontakten mit dem europäischen Judentum Anfang des 20. Jahrhunderts identifizieren sie ihre Religion – die sie Haymanot (ge‘ez ሃይማኖት) nannten – mit der der Fremden und nahmen bereitwillig die unbekannten Rituale, Gebräuche und Gebote der europäischen Juden in ihre kulturelle Praxis auf mit dem Ziel, ihren Glauben an das normative Judentum anzupassen. 1975, nach dem entscheidenden Urteil des Rabbinats, erkannte die israelische Regierung die Falaschen als Juden an und erlaubte ihnen die Einreise nach Israel. Ihr Exodus fand ab 1977 unter schwierigen Bedingungen und dank einer Luftbrücke statt. Zu nennen sind hier vor allem die Operationen „Mose“ im Winter 1984/85 und „Salomon“ im Frühjahr 1991, bei welchen insgesamt mehr als 20.000 Falaschen nach Israel gelangten. In Israel wurden sie bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft das Opfer von teils heftigem Rassismus und Diskriminierung. In der Gesellschaft des Judenstaats halten sie auch noch Jahrzehnte nach ihrer Einwanderung nach Israel und der Konversion zum normativen Judentum eine gesellschaftliche Außenseiterrolle inne, leben häufig in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und stoßen mitunter auf heftige Ablehnung und Intoleranz.[9] In der jüngeren Vergangenheit haben sie vor allem durch die Unruhen und gewalttätige Ausschreitungen im Zuge des „Blutskandals“, und des „Empfängnisverhütungsskandals“, sowie durch die „BLM-Proteste“ auf sich aufmerksam gemacht.

Das Falasha-Dorf Balankab in Äthiopien, von H. A. Stern: Wanderings Among the Falashas in Abyssinia London, 1862
  1. Kaplan: Betä Ǝsraᵓel, EAE, A–C, 2003, S. 552.
  2. Gilman: Falashas, New International Encyclopӕdia. Bd. VII, 1905, S. 435.
  3. Falasche, der. Duden
  4. Steven Kaplan, Chaim Rosen: Ethiopian Jews in Israel. In: The American Jewish Year Book, Band 94, 1994, S. 59–109, hier S. 66.
  5. Abbink: Enigma, 1990, S. 397.
  6. Kaplan: Invention, 1993, S. 649. Bereits die 9. Auflage von Mayers Konversationslexikon von 1973 weist darauf hin, dass sich die Bezeichnung „Juden Äthiopiens […]nicht halten [lässt], zumal sie den Umfang des alttestamentl. Kanons, Gees als hl. Sprache, die Betonung von Reinheitsgesetzen und Speisegeboten, Beschneidung und Feier des Sabbats sowie judaisierende Liturgie mit den christl. Äthiopiern teilen“, wobei es jedoch nicht ausschließen möchte, dass sich bei ihnen „Reste einer vorchristl.-äthiop., durch jüd. Mission beeinflußten Kultur“ finden; Falascha: Meyers Enz. Lexikon, VIII, 1973, S. 470.
  7. Central Bureau of Statistics: Population of Ethiopian Origin, 2022, S. 1, 5.
  8. Kaplan: The Beta Israel, 1992, S. 3, 5.
  9. Pross: Falascha, Neues Lexikon des Judentums, 1992, S. 145.

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