Koranexegese

Als Koranexegese bezeichnet man die Auslegung bzw. Interpretation des Korans. Im islamisch-religiösen Kontext wird der arabische Begriff Tafsīr (arabisch تفسير), der allgemeinsprachlich die Bedeutung von „Erklärung, Deutung, Erläuterung“ hat, für die Exegese des Korans verwendet. Etymologisch hängt er mit dem hebräischen Begriff Pescher zusammen, der im spätantiken Judentum eine Form der Bibelauslegung bezeichnete. Al-Dschurdschānī definierte den Begriff Tafsīr in dem spezifisch religiösen Sinn als „die Erklärung des Sinns (maʿnā) eines Koranverses, seiner Bedeutung (šaʾn), Geschichte (qiṣṣa) und des Anlasses, aufgrund dessen er herabkam (Asbāb an-nuzūl, arab. أسباب النزول), mit einem Ausdruck, der in evidenter Weise darauf hinweist.“[1]

Tafsīr-Werke folgen üblicherweise dem Aufbau des Korans nach Sure/Vers (āya), wie etwa der monumentale Korankommentar von at-Tabarī, der als klassisches Beispiel eines Tafsir gilt. Daneben existieren Werke, die sich mit den methodischen Fragen der Koranexegese befassen, wie Ibn Taimīyas Einführung in die Grundlagen der Koranexegese (Al-Muqaddima fī uṣūl at-tafsīr).[2]

Kommentare, die sich in erster Linie an der Traditionsliteratur orientieren und in einer nach Möglichkeit ununterbrochenen Überliefererkette (isnad) die exegetischen Erklärungen der Generation der Gefährten von Mohammed und ihrer unmittelbaren Nachfolger präsentieren, nennt man at-tafsīr bi-ʾl-maʾṯūr / التفسير بالمأثور / ‚Erklärung durch Überliefertes‘. Denn sie erläutern sowohl einzelne Wörter als auch ganze Koranverse mit dem konsequenten Rückgriff auf die überlieferten Aussagen (aṯar/Pl. āṯār) der ältesten Generationen des Islam. Diese traditionellen Kommentare hatten zu keinem Zeitpunkt einen einheitlichen Charakter, da die alten Überlieferungen als Kommentare zu ein und demselben Koranvers inhaltlich unterschiedliche oder gar kontroverse Aussagen enthalten. „Es können demnach voneinander abweichende, ja zueinander in Widerspruch stehende Erklärungen mit gleicher Berechtigung als tafsīr bil-ʿilm, als ‚der Wissenschaft entsprechendes‘ Tafsīr gelten.“[3] Selbst die philologischen Interpretationen des Textes und die Erklärung einzelner Wörter – oft unter Berücksichtigung der Sprache der altarabischen Poesie – sind recht unterschiedlich.

Frontblatt der Koranexegese von al-Baidawi
  1. Kitāb at-Taʿrīfāt. Edition Gustav Flügel, Leipzig 1845, S. 65, Z. 17–19 ([1]).
  2. Eine englische Übersetzung dieses Werks: Muhammad Abdul Haq Ansari: An Introduction to the Principles of Tafseer. Al-Hidaayah Publishing, Birmingham 1993, ISBN 1-898649-00-6.
  3. Ignaz Goldziher: Die Richtungen der islamischen Koranauslegung. Leiden 1920, S. 83–84; hier: S. 84 (online).

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